LN-Online vom 26.01.2011:
Die Polizei muss zuschauen.
Kiel – Heiligenhafener Scheinfirma ködert Opfer mit Elektroartikeln, liefert aber nicht. Allein im Norden stellten 100 Geschädigte Strafanzeige. Fahnder können die Internetseite nicht sperren. Grüne fordern mehr Schutz.
Seit Wochen ködern Betrüger im Internet ahnungslose Kunden und scheffeln mit dem fiktiven Online-Shop vvvvvv.ewe-ewe.com Millionen. Die Polizei kann nichts gegen die Kriminellen ausrichten. Selbst ein Abschalten oder zumindest Sperren des sogenannten Fake-Shops, der angeblich in Heiligenhafen (Kreis Ostholstein) sitzt, ist nicht möglich. „Ein unhaltbarer Zustand“, sagt Thorsten Fürter. Der Rechtsexperte der Grünen-Landtagsfraktion fordert nach einer kleinen Anfrage an die Landesregierung jetzt Konsequenzen.
Anfang Dezember berichteten die LN über das betrügerische Einkaufsportal, auf dem Elektroartikel zu Schleuderpreisen angeboten werden. Der Kunde, der Digitalkameras, Waschmaschinen und Handys per Vorkasse bestellt, wartet vergeblich auf seine Ware. Selbst über das Konto des Empfängers lassen sich die Hintermänner nicht ermitteln. Die Täter locken Finanzagenten mit Provisionen, um ihre Geschäfte über deren Konten abwickeln zu können.
Mittlerweile wissen die Ermittler, dass der Server, von dem der Fake-Shop vvvvvv.ewe-ewe.com betrieben wird, entweder in Panama oder der Russischen Föderation steht. „Bei dem Anbieter handelt es sich allerdings um einen sogenannten Bulletproof Hoster, deren Anbieter sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht mit Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten“, sagt Heike Bredfeldt-Lüth vom Landeskriminalamt in Kiel. „Die Anbieter schützen ihre Kunden möglichst vor Strafverfolgung.“ Zwar hat die Polizei mittlerweile in beiden Ländern um Amtshilfe gebeten, bislang aber ohne Ergebnis. Die Seite ist weiterhin erreichbar, wird sogar regelmäßig von den Betrügern aktualisiert. Den Ermittlern sind die Hände gebunden. „Natürlich könnten wir die Provider in Deutschland auffordern, den Zugang zu der Seite zu sperren, nur würde dies gegen internationales Recht verstoßen“, sagt Bredfeldt-Lüth. Offen räumt sie ein: „Das ist unbefriedigend.“
Unbefriedigend ist das auch für die 100 geprellten Kunden, die sich in den vergangenen Wochen allein in Schleswig-Holstein bei der Polizei gemeldet haben. Die Erfolgschancen der Strafverfahren, die mittlerweile bei den Staatsanwaltschaften Lübeck und Itzehoe laufen, sind gleich null.
Für Fürter ist das ein unhaltbarer Zustand. „Auf der einen Seite diskutieren wir in Deutschland immer weiterreichende Eingriffe in die Privatsphäre. Auf der anderen Seite scheint es die geballte Staatsmacht nicht einmal hin zu bekommen, eine solche Seite aus dem Netz zu nehmen“, sagt er. An den kriminellen Absichten der Betreiber gebe es keinen Zweifel, und Betrug sei auch in Russland und Panama eine Straftat.
„Wenn es trotzdem nicht gelingt, die Seite abzuschalten, funktioniert bei der Polizei die internationale Zusammenarbeit offensichtlich nicht richtig“, klagt der Grüne. Bei der Verhinderung von Internetkriminalität müsste die Polizei über Ländergrenzen hinweg schnell und unkompliziert zusammenarbeiten können. Die Regierung in Kiel sollte beim Bundesjustizministerium Druck machen und sich für neue internationale Standards in der Strafverfolgung einsetzen.
Wolf Gehrmann vom Kieler Justizministerium sieht die Zuständigkeit ebenfalls beim Bund. Eine Initiative Schleswig-Holsteins zur Verbesserung des Verbraucherschutzes vor Betrügern im Netz gebe es aber nicht. Den Kriminellen lässt sich derweil eine große Aktivität bescheinigen:
Die Polizei hat nach vvvvvv.ewe-ewe.com 25 neue, inhaltlich und optisch identische Fake-Shops im Internet gefunden.
Von Bastian Modrow